Mit Urteil vom 30.10.2014 (AZ: I-8 O 121/14) hat das Landgericht (LG) Arnsberg entschieden, dass Händler, die ihre Waren über amazon.de verkaufen und dabei eine automatisch eingefügte Weiterempfehlungsfunktion bereitstellen, für diesen Wettbewerbsverstoß nicht verantwortlich gemacht werden können. Einige Zeit zuvor (mit Beschluss vom 8.8.2014, AZ: I-8 O 99/14) hatte dasselbe Gericht noch anders entschieden. Mit Urteil vom 09.07.2015 hat sich nun das OLG Hamm der Ansicht angeschlossen, dass Marketplace-Händler für die Weiterempfehlungsfunktion haften.

 

Update: OLG Hamm – Amazon-Händler haften für Weiterempfehlungsfunktion

Mit Urteil vom 09.07.2015 (AZ: 4 U 59/15) hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden, dass die von Amazon in jedes Angebot von Marketplace-Händlern eingefügte Weiterempfehlungsfunktion als wettbewerbswidriges Verhalten des Amazon-Händlers einzustufen ist. Folge davon dürften Abmahnungen sein. Während das Landgericht (LG) Arnsberg – als Vorinstanz – in verschiedenen Verfahren zu der Frage noch unterschiedliche Meinungen vertreten hatte, schloss sich das OLG nun der Ansicht des ursprünglichen Abmahners an.

Die Richter erachteten es dabei als unerheblich, dass der abgemahnte Händler nicht in der E-Mail genannt würde, denn seine Identität ergebe sich ohne weiteres nach Anklicken des in der Empfehlung enthaltenen Links. Genauso wenig käme es darauf an, dass nicht der Amazon-Händler selbst die Empfehlung versendet, sondern ein Dritter. Denn das Ziel der Absatzförderung, dass der Verkäufer durch die Weiterempfehlungsfunktion verfolgt, wird bereits dadurch erreicht, dass die Möglichkeit überhaupt zur Verfügung gestellt wird.

Die Entscheidung dürfte Marketplace-Händler vor große Schwierigkeiten stellen. Denn die Weiterempfehlungsfunktion wird von Amazon automatisch in jedes Angebot eingefügt und kann vom Händler nicht gelöscht werden. Dass der Marktplatzbetreiber sie auf Bitten der einzelnen Verkäufer entfernt, ist unwahrscheinlich. Eine entsprechende Anfrage des Beklagten wurde nicht umgesetzt. Die einzige Möglichkeit, die bleibt, um diesbezügliche Abmahnungen zu verhindern, ist der Verzicht auf den Warenverkauf über Amazon. Für viele Betroffene dürfte das jedoch nicht in Frage kommen.

Entscheidungen der Vorinstanzen:

Seit einiger Zeit werden Händler für Verstöße abgemahnt, auf die sie keinerlei Einfluss haben. Zunächst waren Anbieter betroffen, die ihre Artikel bei Google Shopping beworben haben. Nun trifft es Amazon- und ebay-Händler. Der abmahnende Unternehmer hält die dortige  Weiterempfehlungsfunktion für wettbewerbswidrig. Diese wird durch die Plattformbetreiber automatisch in jedes Angebot eingebunden und kann durch den Verkäufer nicht individuell deaktiviert werden.

Der BGH hatte sich vor einiger Zeit in seiner „tell-a-friend“-Entscheidung mit einer Weiterempfehlungsfunktion befassen müssen und stufte diese als wettbewerbswidrig ein. Auf diese Rechtsprechung bezieht sich der klagende Unternehmer in seinen Abmahnungen.

Diesbezüglich konnte der Abmahner auch bereits einen Erfolg verbuchen. Mit Beschluss vom 8.8.2014 erließ das LG Arnsberg eine entsprechende einstweilige Verfügung gegen einen Amazon-Marketplace-Händler. Diesem wurde gerichtlich aufgetragen, den Verkauf von Waren auf der Plattform unter Verwendung der beanstandeten Weiterempfehlungsfunktion zu unterlassen.

Marketplace-Händler ist für Verstoß nicht verantwortlich 

Mit Urteil vom 30.10.2014 hat dasselbe Gericht nun entschieden, dass Marketplace-Verkäufer nicht für diesen Wettbewerbsverstoß seitens Amazon verantwortlich gemacht werden können.

Grund dafür sei, dass der betroffene Händler weder als Täter noch als Mithelfer oder Beihelfer oder auch nur als Störer angesehen werden kann. Die Weiterempfehlungsfunktion wird von Amazon automatisch in jedes Angebot eingefügt, ohne dass der Verkäufer darauf Einfluss nehmen könnte. Es ist ihm technisch auch nicht möglich, diese Funktion zu deaktivieren. Die Richter sind darüber hinaus der Ansicht, dass die einzelnen Händler gegenüber Amazon derart unterlegen sind, dass sie auch keine Möglichkeit haben, dahingehend auf Amazon einzuwirken, dass die Weiterempfehlung ausgeschlossen wird.

Nach Ansicht des Gerichts bliebe dem Händler dann als einzige Option nur die vollständige Einstellung des Warenverkaufs über amazon.de. Das sei aber weder rechtlich verlangt noch wirtschaftlich zumutbar. Daher verneinte das LG Arnsberg in seiner jüngsten Entscheidung eine Verantwortlichkeit seitens des Marketplace-Händlers.

Wettbewerbswidrigkeit der Weiterempfehlungsfunktion

Leider gehen die Richter in Ihrem Urteil nicht auf die Frage ein, ob die Weiterempfehlungsfunktion, wie sie von Amazon zur Verfügung gestellt wird, überhaupt wettbewerbswidrig ist. Dies wird innerhalb der Entscheidung vielmehr unterstellt. Dabei gibt es jedoch – möglicherweise entscheidende – Unterschiede zur Entscheidung des BGH (Urteil vom 12.9.2013, AZ: I ZR 208/12). Im Gegensatz zum damaligen Sachverhalt kann die Weiterempfehlungsfunktion bei Amazon lediglich von registrierten Mitgliedern genutzt werden. Darüber hinaus erscheint der empfehlende Nutzer als Absender der E-Mail, nicht der Warenverkäufer. Dieser wird auch nicht an anderer Stelle innerhalb der Empfehlung erwähnt. Erst wenn der Empfänger der E-Mail auf das verlinkte Produkt klickt, gelangt er auf die Seite des Händlers.

Diese Unterschiede hätten zumindest erörtert werden können, auch wenn sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer anderen Beurteilung bzgl. der Wettbewerbswidrigkeit derartiger Weiterempfehlungsfunktionen geführt hätten.

Der Rechtsanwalt des abmahnenden Unternehmers hat bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Wie sich das dafür zuständige Oberlandesgericht Hamm positionieren wird, bleibt abzuwarten. Wir halten Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.