In der Vergangenheit war der sogenannte IDO-Verband einer der aktivsten Wettbewerbsverbände, wenn es darum ging, Wettbewerbsverstöße abzumahnen, die Einhaltung von Unterlassungserklärungen zu überwachen und Vertragsstrafen einzufordern.
2021 gab es eine Gesetzesänderung, die vorsieht, dass Verbände bestimmte Anforderungen erfüllen und sich per substantiierten Antrag auf eine Liste setzen lassen müssen. Da sich der IDO bis heute nicht auf dieser Liste befindet, ist er nicht mehr zu Abmahnungen legitimiert.
Umstritten war, welche Auswirkungen dies auf in der Vergangenheit abgegebene Unterlassungserklärungen hat und ob diese von Onlinehändlern gekündigt werden können.
Hierzu erging vor kurzem eine wichtige Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 04.04.2025 – 6 U 116/24). Weiteres erfahren Sie im folgenden Beitrag.
Hintergrund
Der „IDO-Verband“ (IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V.) ist vielen Onlinehändlern ein Begriff. Über einen langen Zeitraum war der Verband sehr umtriebig, mahnte zahlreiche Onlinehändler wegen Wettbewerbsverstößen ab und überwachte die Einhaltung der abgegebenen Unterlassungserklärungen.
Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ (FWG) darf ein Verband jedoch nur noch abmahnen, wenn er die Voraussetzungen des § 8b (2) UWG erfüllt und einen entsprechenden Antrag stellt.
Unter anderem muss der Verband mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder haben, zur Wahrnehmung seiner satzungsgemäßen Aufgaben personell, sachlich und finanziell ausreichend ausgestattet sein und darf seinen Mitgliedern weder Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen noch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen gewähren.
Der IDO-Verband erfüllt diese Voraussetzungen nicht und ist damit nicht mehr zu Abmahnungen legitimiert.
Ein Unternehmen, welches im Oktober und November 2015 jeweils einen Unterlassungsvertrag gegenüber dem IDO-Verband abgab, um eine Wiederholungsgefahr von Wettbewerbsverstößen auszuschließen, kündigte diese zum 06.04.2022 fristlos.
Das Unternehmen begründete die Kündigung unter anderem mit dem Wegfall der Sachbefugnis des IDO-Verbands. Der IDO-Verband war dagegen der Ansicht, dass die Unterwerfungsverträge weiterhin Bestand haben, da § 15a (1) UWG eine Übergangsregelung enthält.
Urteil des OLG Köln
Das OLG Köln entschied in zweiter Instanz, dass der Wegfall der Aktivlegitimation, Unterlassungsansprüche geltend zu machen, ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sei.
Das Gericht bezog sich dabei auf das vorherige Urteil des OLG Hamm (Urt. v. 30.05.2023, 4 U 78/22). Dieses Urteil wurde zwar vom BGH aufgehoben, jedoch nicht in Bezug auf das Bestehen eines Kündigungsrechts.
Darüber hinaus zogen die Richter aus mehreren Urteilen des BGH den Schluss, dass „der Umstand, dass der Gläubiger einen aufgrund des beanstandeten Verhaltens in Betracht kommenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch mangels Wegfall der Sachbefugnis nicht mehr verfolgen kann, es nach Treu und Glauben grundsätzlich gerechtfertigt erscheinen, dass der Schuldner sich von der vertraglichen Unterlassungs- und Zahlungsverpflichtung lösen kann“
So hatte der BGH auch in der Vergangenheit bei Änderungen des UWG, welches neue Merkmale für die Voraussetzungen des Wettbewerbsanspruchs einführte, entschieden, dass
„ der Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs einen wichtigen Grund bildet, der die Kündigung des Unterlassungsvertrages wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertige.“
Die Übergangsregelung, auf die sich der IDO-Verband bezog, ist nach Ansicht des OLG Köln nicht einschlägig. Denn sie bezieht sich nur auf die Klagebefugnis für Ansprüche aus der Vergangenheit bis zur Beendigung bereits anhängiger Rechtsstreitigkeiten sowie auf die Nichtanwendung der strengeren Anforderungen für Abmahnungen vor dem 02.12.2020.
Da es für die Altunterlassungsverträge keine eigene Regelung gibt, wäre das gesetzliche Kündigungsrecht aus § 314 BGB einschlägig, mit Wirkung ex nunc, also für die Zukunft.
Auch die Tatsache, dass der IDO-Verband zukünftig wieder in die Liste der qualifizierten Einrichtungen aufgenommen werden könnte und dann wieder aktiv legitimiert wäre, stünde der Kündigung nicht entgegen. Denn dafür hätte der Gesetzgeber Übergangsfristen eingeräumt, die hier klar überschritten sind.
„ Die Klägerin hat den Vertrag erst im April 2022 gekündigt, über ein halbes Jahr nach Ablauf der Übergangsfrist im September 2021.
Dass eine Eintragung in die Liste auch noch nach Ablauf der Übergangsfrist möglich ist, steht einer Kündigung aus wichtigem Grund nicht entgegen. Dass die Sachbefugnis des Beklagten wiederaufleben könnte, macht eine wirksam ausgesprochene Kündigung nicht wieder unwirksam.“
Das Eintragungserfordernis in die Liste des Bundesamts für Justiz soll Rechtsmissbrauch verhindern.
Es wäre unvereinbar mit diesem Ziel, wenn nicht eingetragene Verbände weiterhin Einnahmen aus Vertragsstrafen erzielen könnten.
Dem Kläger kann auch nicht abverlangt werden, dass er auf eine rechtskräftige Entscheidung über die Aufnahme des IDO-Verbands in die Liste der qualifizierten Einrichtungen wartet.
Die vom IDO-Verband vorgebrachten Einwände, dass höchstrichterliche Urteile der jüngeren Vergangenheit seine Ansicht stützten, wonach eine Kündigung der alten Unterlassungsverträge nicht möglich sei, überzeugten das OLG Köln nicht. Nach dessen Ansicht betrafen diese andere Sachverhalte und würden der Ansicht des Senats nicht entgegenstehen.
Die Revision wurde vom OLG Köln nicht zugelassen. Der IDO-Verband wehrt sich aktuell mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH (Az. I ZR 83/25) dagegen.
Fazit:
Alle Onlinehändler, die in der Vergangenheit eine Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO-Verband abgegeben haben, sind gut beraten, diese zu überprüfen.
Es bietet sich an, diese unter Verweis auf das Urteil des OLG Köln gemäß § 314 BGB fristlos zu kündigen. Es wird jedoch empfohlen, sich hierzu anwaltlich beraten zu lassen.
Gleiches gilt auch für Unterlassungserklärungen gegenüber anderen Verbänden und Vereinen, sofern diese nicht auf der Liste der für Abmahnungen aktiv legitimierten Einrichtungen des Bundesamts für Justiz aufgeführt sind.