Mit einem aktuellen Urteil hat das OLG Düsseldorf wohl Weichen für künftige Abmahnungen gestellt. Ob diese sich als Fluch oder Segen für die Abgemahnten herausstellen werden, bleibt abzuwarten. Der erste Teil unserer Rezension befasst sich mit dem Umfang der Beweispflicht für rechtsmissbräuchliches Verhalten des Abmahners.

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte über den Fall eines eBay-Händlers zu entscheiden, der innerhalb seiner Angebote verschiedene Widerrufsfristen angegeben hatte. Da der Verbraucher nicht erkennen konnte, welche der genannten Fristen gelten sollte, war das Vorgehen irreführend und wurde von einem Konkurrenten abgemahnt. Den Rechtsverstoß behob der Abgemahnte umgehend – soweit ihm das möglich war -, weigerte sich aber eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Diese sowie die durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltsgebühren machte der Mitbewerber deshalb gerichtlich geltend.

Klageabweisung in zweiter Instanz

Nachdem das Landgericht (LG) Düsseldorf dem Kläger zunächst Recht gab (Urteil vom 25.09.2014, AZ: 14 C 67/14), wies das OLG die Klage ab (Urteil vom 24.03.2015, AZ: I-20 U 187/14). Nach Ansicht der Richter handelte der klagende Konkurrent rechtsmissbräuchlich, weshalb die ausgesprochene Abmahnung unzulässig war.

Rechtsmissbrauch muss der Abgemahnte beweisen

Einen solchen „Rechtsmissbrauch“ muss der Abgemahnte beweisen, was nicht nur aufwendig, sondern vielfach sogar unmöglich ist. Denn nachgewiesen werden muss, dass mit der Abmahnung „überwiegend sachfremde Interessen und Ziele verfolgt werden“. Das ist z.B. der Fall, wenn es dem abmahnenden Unternehmer ausschließlich oder zumindest hauptsächlich um die Erzielung von Gebühren geht (entweder in Form der Rechtsanwaltskosten oder in Form der Vertragsstrafen). Eine umfangreiche Abmahntätigkeit allein reicht für die Annahme missbräuchlichen Verhaltens jedoch nicht aus.

Indizien können für den Nachweis ausreichend sein

Die Entscheidung des OLG könnte diesbezüglich künftig für Erleichterungen sogen. Zwar bleibt es dabei, dass der Abgemahnte den Rechtsmissbrauch beweisen muss. Die Richter stellten jedoch klar, dass es – zunächst – genügt, in ausreichendem Umfang Indizien vorzutragen, die für eine missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sprechen. Hat der Abgemahnte solche vorgelegt, muss der abmahnende Unternehmer sie entkräften. Tut er es nicht, bleibt die Annahme des Rechtsmissbrauchs bestehen, was zur Klageabweisung führt.

Entscheidend war Missverhältnis zwischen Umsatz und Anzahl der Abmahnungen

Im konkreten Fall hatte der abgemahnte eBay-Händler behauptet, dass die Abmahntätigkeit des Klägers in keinem vernünftigen Verhältnis zu seiner gewerblichen Tätigkeit stünde. Als ein Indiz hatte er für den relevanten Zeitraum einen maximalen Umsatz von knapp 2.000,- EUR errechnet. Diese Umsatzhöhe konnte von der Gegenseite nicht entkräftet werden. Dem stellte der Beklagte 15 Abmahnungen gegenüber, die der Kläger innerhalb eines knappen halben Jahres an verschiedene Konkurrenten versendet hatte. Auch dieses Indiz für die missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs wurde von der Gegenseite nicht widerlegt.

Neben den genannten Anhaltspunkten führten die Richter weiter an, dass der klagende Händler in seinen eigenen eBay-Angeboten darauf hinweist, der Kleinunternehmerregelung des § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) zu unterfallen. Voraussetzung dafür sind ebenfalls geringe Umsätze (bis zu 22.000,-EUR im vorausgegangenen, voraussichtlich nicht mehr als 50.000,- EUR im laufenden Kalenderjahr). Dann aber monatlich bis zu drei Abmahnungen zu versenden, lässt auf eine missbräuchliche Geltendmachung der Unterlassungsansprüche schließen, so das OLG.

Rechtsverstoß war leicht auffindbar und von geringem Gewicht.

Dafür sprach nach Ansicht der Richter auch, dass der konkret gerügte Verstoß ohne großen Aufwand leicht über eine entsprechende Internetsuche zu ermitteln sowie objektiv von nur geringem Gewicht war. Er wurde zudem vom Abgemahnten – soweit möglich – unverzüglich beseitigt. Nur ein bereits abgelaufenes eBay-Angebot konnte nicht mehr geändert werden.

Die vom Beklagten vorgelegten Indizien hatte der Abmahner nicht in ausreichendem Maße widerlegen können, was aber notwendig gewesen wäre, um die Vermutung des Rechtsmissbrauchs zu entkräften. Deshalb kam es letztendlich zur Klageabweisung.

BGH: Weitere Indizien für Abmahn-Missbrauch

Bereits der BGH hatte in seinem Urteil vom 15.12.2011 (AZ: I-20 U 187/14) verschiedene Indizien genannt, die eine missbräuchliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen vermuten lassen können.

  • Verknüpfung von Abgabe der Unterlassungserklärung und Ausgleich der geltend gemachten Anwaltsgebühren zur Vermeidung der Einleitung gerichtlicher Schritte;
  • Folge: Dem Abgemahnten wird so der Eindruck vermittelt, er muss beides fristgerecht erfüllen, um ein Gerichtsverfahren zu verhindern (was nicht zwingend der Fall sein muss, denn zumindest die Zahlung könnte durchaus auch später erfolgen).
  • Inhaltlich sehr weit gefasste vorgefertigte Unterlassungserklärung, so dass auch andere als der konkret abgemahnte Verstoß darunter fallen, in Verbindung mit hoher Vertragsstrafe (im konkreten Fall 5.100,- EUR);
  • Folge: Der Abmahner kann sich über Vertragsstrafen eine (zusätzliche) Einnahmequelle schaffen.
  • Der in der Unterlassungserklärung vereinbarte Gerichtsstand ist der Sitz des bevollmächtigten Rechtsanwalts des Abmahners;
  • Folge: Dem vom betreffenden Händler beauftragten Anwalt wird dadurch seine Abmahntätigkeit erleichtert.
  • Unpräzise formulierte Belehrung über die Möglichkeit der Abgabe einer modifizierten, von der vorformulierten unabhängigen Unterlassungserklärung;
  • Folge: Es entsteht für den Abgemahnten der Eindruck, dass er es besser bei der vorgeschlagenen Erklärung von der Gegenseite belassen sollte.

Fazit

Durch das Urteil dürfte es Abgemahnten künftig leichter fallen, eine Abmahnung als missbräuchlich zu „enttarnen“. Denn für die Annahme des Rechtsmissbrauchs reicht es zunächst aus, entsprechende Indizien vorzulegen. Kann der Abmahner diese nicht entkräften, werden Gerichte wohl einen Anspruch auf Unterlassung und damit auch auf Zahlung der angefallenen Rechtsanwaltsgebühren verneinen. Wie sich die Rechtsprechung diesbezüglich entwickelt, bleibt allerdings abzuwarten.