Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg könnte weitreichende Folgen für zahlreiche Online-Händler haben. Vor allem im Hinblick auf die neue Rechtslage seit dem 13.6.2014. Denn nach dem Urteil vom 29.4.2014 (AZ: 6 U 10/13) müssen sich Shop-Betreiber auch dann an eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung halten, wenn diese nicht dem geltenden Recht entspricht. Sie müssten also gegen das Gesetz verstoßen, wenn sie keine Vertragsstrafe zahlen wollen.

 

Der Fall – Abmahnung wegen rechtswidriger AGB-Klauseln

Auch diesem Urteil ging eine Abmahnung voraus. Betroffen war ein Reiseveranstalter, dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) von einem Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs beanstandet wurden. Der Abgemahnte gab eine Unterlassungserklärung dahingehend ab, die beanstandete Klausel künftig nicht mehr zu verwenden. Er änderte die in Rede stehende Formulierung ab und stellte die neugefassten AGB auf seiner Internetseite zur Verfügung. Damit gab sich der Wettbewerbsverein aber nicht zufrieden und machte die Vertragsstrafe aus der Unterlassungserklärung geltend. Er war der Ansicht, dass auch die geänderte Klausel nicht dem geltenden Recht entsprach und der Händler durch die Verwendung gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen hat.

Durch die Abgabe der Unterlassungserklärung hat sich der Abgemahnte verpflichtet, bei jeder Zuwiderhandlung einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen. Diesen forderte der Wettbewerbsverein nun ein. Der Reiseveranstalter verweigerte die Zahlung, weshalb es zum Prozess kam. In diesem trug er vor, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung hat, weil die ursprünglich beanstandete AGB-Klausel gar nicht rechtswidrig war. Das Argument ließ das Gericht aber nicht gelten!

Die Entscheidung – Objektive Rechtslage bei Unterlassungsvertrag unerheblich

Zwar waren die Richter der Auffassung, dass die beanstandete Klausel sehr wohl unzulässig war. Sie führten aber aus, dass es darauf gar nicht ankommt. Durch die Abgabe der Unterlassungserklärung hat sich der Reiseveranstalter vertraglich verpflichtet, die fragliche Formulierung künftig nicht mehr zu verwenden. Die Behauptung, die Klausel sei überhaupt nicht rechtswidrig, hat darauf keine Auswirkung. Die Pflicht, sie nicht mehr zu verwenden, ergibt sich nämlich bereits aus dem Vertrag und ist unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage.

Da er sich nicht an die vertragliche Vereinbarung gehalten hat, war der Beklagte – nach Ansicht der Richter – verpflichtet, die festgelegte Vertragsstrafe zu zahlen.

Konsequenzen – Verstoß gegen Unterlassungserklärung oder geltendes Recht

Wer eine Unterlassungserklärung unterschreibt, geht eine vertragliche Verpflichtung ein, von der er sich nicht ohne weiteres lösen kann. Auch wenn das Handeln oder das Unterlassen, zu dem sich der Abgemahnte verpflichtet, nicht der Gesetzeslage entspricht, muss er sich an seine einmal abgegebene Erklärung halten. Tut er das nicht, kann sein Vertragspartner die vereinbarte Vertragsstrafe einfordern. Diese ist meist sehr hoch angesetzt, um sicherzustellen, dass das Fehlverhalten nicht wiederholt wird. Für den Erklärenden kann es also schnell teuer werden.

Besonders heikel werden Unterlassungserklärungen, wenn es zu Gesetzesänderungen kommt. Denn das kann zu der unangenehmen Situation führen, dass das, was nach altem Recht unzulässig und deshalb abmahnfähig war, nach neuer Gesetzeslage nicht nur zulässig sondern vielleicht sogar verpflichtend ist. Der abgemahnte Händler, der eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, wäre dann in der Zwickmühle. Er müsste entweder gegen die Unterwerfungsverpflichtung oder gegen geltendes Recht verstoßen.

Ein Beispiel: Angabe der Telefonnummer innerhalb der Widerrufsbelehrung

Nach altem Recht, wie es bis einschließlich 12.6.2014 galt, war es unzulässig, eine Telefonnummer innerhalb der Widerrufsbelehrung anzugeben, Der Verbraucher war bis zum Stichtag verpflichtet, seinen Widerruf „in Textform“, also mittels E-Mail, Fax oder Brief zu erklären. Enthielt die Widerrufsbelehrung aber neben den dafür erforderlichen Kontaktdaten auch die Telefonnummer des Verkäufers, konnte der falsche Eindruck entstehen, dass ein Anruf ebenfalls ausreicht. Folge waren zahlreiche Abmahnungen wegen Irreführung.

Mit Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie in deutsches Recht ist dieses Formerfordernis entfallen. Seit dem 13.6.2014 kann der Käufer seinen Widerruf auch telefonisch erklären. Das hat das LG Bochum (Urteil vom 6.8.2014, AZ: I-13 O 102/14) bewogen, die Telefonnummer als Pflichtangabe innerhalb der Widerrufsbelehrung einzustufen. Fehlt sie, handelt der Shop-Betreiber wettbewerbswidrig und kann abgemahnt werden.

Online-Händler, die vor der Rechtsänderung eine Unterlassungserklärung mit dem Inhalt abgegeben haben, künftig keine Widerrufsbelehrung mehr zu verwenden, die ihre Telefonnummer enthält, befinden sich in einer prekären Lage. Wenn es für die Wirksamkeit der abgegebenen Unterlassungserklärung nicht auf die objektive Rechtslage ankommt – wie das OLG Brandenburg entschieden hat –, haben die Betroffenen die „Wahl“ zwischen einer erneuter Abmahnung, weil sie die Telefonnummer nicht angeben, oder Zahlung der Vertragsstrafe, weil sie die Angabe in den Belehrungstext aufgenommen haben.

Mehr zu dieser Problematik erfahren Sie im Beitrag „LG Bochum: Welche Kontaktdaten gehören in die Widerrufsbelehrung?“ ebenfalls in diesem Newsletter.

Fazit

Wer eine Abmahnung erhält, sollte die beigefügte vorformulierte Unterlassungserklärung niemals ungeprüft unterschreiben. Wie sich zeigt, hat ein derartiger Vertragsschluss weitreichende Konsequenzen. Ein einmal eingegangener Unterlassungsvertrag gilt nicht nur unabhängig von der objektiven Rechtslage, er kann bei Rechtsänderungen auch dazu führen, dass sich der Betroffene nicht mehr rechtskonform verhalten kann, egal, was er tut.

Darüber hinaus sind nicht alle Abmahnungen berechtigt. Wer aber die Unterlassungserklärung abgegeben hat, kann sich später mit dem Argument, das beanstandete Verhalten war tatsächlich rechtskonform, nicht mehr aus seiner vertraglichen Pflicht befreien. Daher sollten sowohl die Abmahnung selbst als auch die beigefügte Unterlassungserklärung immer zuerst anwaltlich überprüft werden, bevor überhaupt darauf reagiert wird. Ein Anwalt kann den Betroffenen sagen, welches Verhalten sinnvoll ist und alle erforderlichen Schritte einleiten.